Employee Experience, das hieß doch früher Arbeitsklima!?
heutzutage gibt es für viele bekannte Phänomene einen modern klingenden englischen Begriff. „User Experience“ zum Beispiel. Das ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits stoßen diese Anglizismen bei manchen auf wenig Gegenliebe, andererseits helfen Sie durch die klare Abgrenzung zum hiesigen Sprachgebrauch bei der Identifikation als Begriff. Ein durchaus nicht konservativer Kollege sagte einmal in der Mittagspause „Foodtruck, das hieß damals schlicht Imbisswagen.“ Und er hatte schlichtweg und wertneutral recht damit. Andererseits stellt sich die Frage, ob der typische Imbisswaagen wirklich dasselbe ist, wie die aktuellen Foodtrucks oder ob ein anderes Wort nicht etwas anderes bezeichnet. Ob etwas Besseres oder Schlechteres, das soll dabei vorerst keine Rolle spielen.
Ohne eine Wertung vorzunehmen ist die Zielgruppe eine andere. Die Genießer der klassischen Hausmannskost (Hähnchen, Wurst und Fisch aus der angrenzenden See) im Vergleich zu Personen, die mutmaßlich gerne exotisch klingende Gerichte essen mögen, deren Zutaten aber gleichzeitig aus der Region stammen sollen. Quasi Guacamole aus der Pfalz.
Der Imbisswagen hat und hält sein treues Stammklientel teils über Jahrzehnte hinweg. Der Foodtruck ändert die Speisekarte Saisonal, das Motto täglich und die Position mehrmals wöchentlich.
Die Firmenkleidung dient jeweils unterschiedlichen Konzepten. Einerseits ein funktionales Konzept, in Sinne von durch die Schürze sauber bleiben und das auch zeigen. Anderseits funktional im Sinne von einem einheitlichem Gesamtauftritt im Corporate Design mit ästhetischem Schwerpunkt.
Die Produktpräsentation ist eine andere. Im Hähnchengrill Imbisswagen drehen sich die Spieße im Hintergrund, dass dem Betrachter das Wasser aus dem Mundwinkel läuft, wie dem Geflügel die Fetttropfen von den Schenkeln perlen. Der Foodtruck setzt die Zubereitung in Szene. Während im Imbisswagen oft mit dem Rücken zum Kunden gearbeitet wird, bekommt hier die Schneidefläche, Saftmaschine und Auslage eine Verglaste Bühne.
Zu guter Letzt; Ja, die Optik und der Auftritt dürften wohl den größten Unterschied darstellen. Hier trifft das gezeichnete Hähnchen, was mit dem Daumen nach oben für den Verzehr von sich selbst wirbt, auf minimalistisches Logodesign. Der Imbisswagen, meist weiß wie eine Krankenhauswand, der Foodtruck in knalligen Farben, als ob sich die lokale Graffitiszene wohlwollend daran vergriffen hätte.
Schmeckt jetzt das Essen besser, nur weil jemand eine Wildlederschürze mit Metallösen trägt und Pommes als geschnitten gebräuntes Saisongemüße vertreibt? Die Antwortet lautet: dem einen ja, dem anderen nicht. Ob besser oder schlechter, das kommt darauf an, ob diese Inszenierung gefällt oder nicht.
„Das Auge isst mit.“ ist Ausspruch jedes ambitionierten Hobbykochs. Der Lieblingsitaliener besticht durch eine Gesamtwertung von Essen und Ambiente, nichts von beidem darf zu schlecht sein.
Eindrücke beeinflussen das Verhalten
Also ist die Employee Experience, die Erfahrung der Mitarbeitenden mit etwas, reine Geschmackssache und man kann es nicht allen recht machen? So einfach und so aussichtslos ist es auch wieder nicht.
Bei Unternehmen und Kunden homogener Zusammensetzung gilt es tatsächlich nur die Präferenzen zu ermitteln und die gemeinsamen Bedürfnisse zu befriedigen. Schon bei mehr als zwei Dutzend Angestellten ist es fragwürdig, ob diese Bedürfnisse gleichgesinnt sind. Je differenzierter die Gruppe, desto fataler kann es sein das Pendel in eine Richtung ausschwingen zu lassen. Auch wenn man oft hört, es sei besser gezielt einen fiktiven prototypischen Adressaten anzusprechen als eine unbekannte Gruppe, ist letzteres doch nicht zwangsläufig das Gegenteil vom Ersten.
Gemeinsamkeiten müssen genauso wie Unterschiede gefunden werden, um darauf basierend die verschiedenen Ansprüche abzuleiten.
Der eine mag das Bewehrte lieber, der andere bevorzugt den Trend. Hüllt sich ein Unternehmen in das Gewand des Modernen oder stagniert es beim Bekannten, ist die Gefahr groß, die Werte der jeweils anderen Gruppe als unwichtig darzustellen.
Kehren wir zurück zu dem Imbisswagenbeispiel, so stellt der Begriff wie die Umsetzung des Foodtrucks ein rotes Tuch dar, für die die alten Wein in neuen Schläuchen sehen (wollen). Der Imbisswagen wiederum ist das Sinnbild für die Unfähigkeit sich anzupassen, für alle die Veränderung bisher nur durch die reine Abwesenheit des Beständigen erfahren haben.
Dementsprechend färbt die Neigung gegenüber der Darstellung (Antipathie vs. Sympathie) das Erlebnis, das wiederum den Geschmack trübt. Das Ausmaß, in dem die Einstellung das Erlebnis beeinflusst und sich als faden Beigeschmack auf zeit- und räumlich tangierende Bereiche legt, ist den wenigsten bewusst. Diese Empfindung hört aber nicht bei der täglichen Präferenz des Mittagessens auf. Sie sorgt für die tägliche Produktentscheidung, die Auswahl unseres sozialen Umfelds und macht keinen halt vor irgendwelchen Firmengrundstücken.
Unzählige Berührungspunkte beeinflussen die Zufriedenheit der Mitarbeitenden
Der Weg zum Arbeitgeber, die dort dominierende Firmenkultur (die gelebte, nicht die auf dem Papier) und ja auch die Möglichkeiten mittags gutes und abwechslungsreiches Essen zu finden, sind alles Parameter, die sich auf das Wohlfühlklima im Unternehmen auswirken. Die Liste ist nahezu unendlich und es gibt jeden Tag unzählige Berührungspunkte zwischen Angestellten und Unternehmen. Einige fangen schon weit aus vor dem Arbeitstag an (Pendelweg, Verkehr, Firmentickets und die Außendarstellung) und gehen bis spät in die Nacht (Überstunden, Mails nach Feierabend, Firmenfeiern wie der Zugang zum Firmenintranet).
Mittlerweile haben einige Unternehmen verinnerlicht, wie entscheidend Feinheiten für die Kaufentscheidung und die Kundentreue sind. Es ist die Entscheidung für eine Fluglinie bei sonst gleichem Preis.
Diese Kundenerfahrungen (User Experience) gilt gleichermaßen für alle Angestellten. Diese zahlen in das Unternehmen in Form ihrer Arbeitskraft und bieten dieselbe Loyalität wie die Kunden auch.
Dennoch scheint die Employee Experience sich jetzt erst der Bedürfnispyramide aufzutürmen. Personalmarketing, Arbeitsklima und Headhunting sind keine neuen Phänomene, aber eventuell bieten uns neu auftretende Begriffe wie Employee Marketing, die Möglichkeit, ein aktuelles Phänomen neu und angemessen zu umreißen.
Zu den Maßnahmen eines erfolgreichen Employee Marketings gehören auf jeden Fall die Angestellten zu kennen und verschiedene Zielgruppen in Form von Personas abzuleiten. Die gefunden Unterschiede, wie auch Gemeinsamkeiten müssen festgehalten und sollten nicht als Problem betrachtet werden.
Unternehmen sollten sich nicht einer Rolle verschreiben und insbesondere bei der internen Kommunikation bedenken, dass das Bewehrte genauso eine Berechtigung hat wie das Moderne. Und dass die Abkehr des einen eine hohe Signalwirkung ausstrahlt.
Es hilft die unzähligen Gemeinsamkeiten scheinbarer Gegensätze aufzuzeigen und Zeitzeugen vertretender Generationen in Teams zu vereinen. Denn das Moderne ist auch nur die Adaption des Bewehrten. Foodtruck wie Imbisswagen verbindet so einiges, die Personifizierung des Inhabers, das Vertrauen in die Hygienemaßnahmen, die Uhrzeit der Beanspruchung, die Notwendigkeit, der Preis sowie die Kommunikation auf Augenhöhe sind nur einige Beispiele. Selbstverständlich kommt nichts von beidem ohne leckeres Essen aus. Ob das Essen nach der Mittagspause bei den Kollegen als lecker beschrieben wird, hängt allerdings nicht rein vom Geschmack ab, sondern von den zuvor genannten Eigenschaften.
Gute Software steigert die Zufriedenheit
Viele der Berührungspunkte zwischen Unternehmen und Angestellten liegen selbstverständlich in der IT. Jedem der an der Auswirkung von Emotionen auf die Arbeitsleistung zweifelt sei der letzte Zeitpunkt ins Gedächtnis gerufen, an dem man kurz vor knapp etwas wichtiges Ausdrucken musste.
Dass die Technik überhaupt funktioniert und tut was sie soll, das ist nur das unabdingliche Fundament der Employee Experience innerhalb des Berührungspunktes digitale Anwendungen. Einstiegspunkte, Design, Benutzerführung und Komplexität sind nur weitere Beispiele die sich positiv darauf Auswirken können.
Hilfestellung, Wortwahl und digitale Kommunikationskultur spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Größe einer Schaltfläche oder eine veraltete Telefonnummer bei einem hinterlegten wichtigen Kontakt.
Die Liste ist zwar endlos, aber durchaus nicht belanglos. Wer glaubt, dass man es nicht allen recht machen kann, der liegt damit bestimmt richtig. Wer es allerdings gar nicht erst versucht, der liegt auf jeden Fall falsch damit.
Digitale Anwendungen tragen maßgeblich zur Employee Experience bei, insbesondere in der Zeit von Homeoffice. Und ja, Anwendungen können auch Spaß machen und müssen nicht für den Anwender frustrierend sein. Frust ist kein guter Begleiter und führt zu keinen guten Einschätzungen während der Arbeitszeit.
Loyalität, Teamgeist, Effizienz und ein ehrliches Lächeln auf den Lippen, wer möchte das nicht bei seinen Kollegen und Kolleginnen sehen? Man kann etwas dafür tun.