Auf der Suche nach einem geeigneten Tool zum gemeinsamen Erstellen von modular zusammengestellten Texten bin ich auf die Anwendung Obsidian gestoßen.
Eigentlich war die Bedingung, dass neue Dateien aus immer wieder verwendeten Textbausteinen erstellt werden, wobei sich die Textblöcke verändern und versionieren lassen. Quasi ein Git Repository mit GUI Baukasten und WYSISWYG Editor. Während meiner Recherche nach solch einer Anwendung oder Erweiterung, z.B. für unsere Wissensdatenbank Confluence bin ich auf die Anwendung Obsidian gestoßen.
Ich muss zugeben, dass ein Aspekt meine Aufmerksamkeit abgerungen hat und ein anderer Aspekt mich dazu gebracht hat, die Anwendung zu testen. Vorweg muss ich fairerweise sagen, dass die Anwendung nicht unseren Anforderungen für das oben genannte Vorhaben entspricht, aber mich davon abgesehen so überzeugt hat, dass ich sie hier vorstellen möchte.
Obsidian ist mir im Vorfeld schon einige Male flüchtig begegnet, aber ich hatte bis dato keinen besonderen Anlass mich mit dieser Anwendung auseinanderzusetzen. Drei Mal habe ich die exe Datei der en premise Version morgens heruntergeladen und im Anschluss nie installiert. Damit habe ich der Anwendung schon unrecht getan, denn es ist im Vorfeld kein Account nötig und die Anwendung ist für private Zwecke vollständig kostenlos. Das war der oben genannte Aspekt, der mich dazu bewogen hat, die Anwendung auch wirklich zu testen.
Da sich bei mir zu Hause die Notizzettel stapeln, sah die Anwendung für mich sowohl persönlich als auch für die Arbeit potentiell nützlich aus. Der erste Eindruck erweckte in mir die Hoffnung, dass Obsidian in der Lage ist, verteiltes Wissen miteinander zu verknüpfen. Das wäre etwas nützliches im Bereich Projektmanagement und Dokumentation.
Die Graphenansicht in Obsidian
Dazu sticht dem User zuerst die Graphenansicht ins Auge, die, vermutlich nicht ganz unabsichtlich, in den Beispielbildern aussieht wie die Synapsen eines Gehirns. Das war das Feature, das meine Aufmerksamkeit generiert hat. Alleine diese Darstellungsart hebt Obsidian von den meisten gewöhnlichen Markdown Editoren ab. Obwohl es hier um mehr als eine Darstellung geht, sondern um eine Form der Strukturierung.
In Obsidian können Notizen angelegt werden wie in anderen Notizanwendungen, ähnlich wie in Microsoft Notes. Jede neue Notiz wird jedoch als Markdown Datei lokal angelegt und ist dadurch vollständig unabhängig von Obsidian. Wählt man keine Cloudversion, Obsidian nennt diese Version Sync, aus, bleiben die Dateien auch lokal. Wer auf mehreren Endgeräten oder in einem Team arbeitet, der nutzt ein Sharedlaufwerk auf eigenes Risiko oder eben die Cloudversion.
Jedes zu managende Projekt kann als Vault angelegt werden, was nichts andere als ein Ordner ist. Daneben ist es möglich einen bestehenden lokalen Ordner als Vault auszuwählen. Die Ordnerstruktur und Dateien mit generischer Formaten wie PDFs werden sofort von Obsidian in die klassische Baumstruktur und eben in die Graphenansicht überführt. Alle Dateien, die man in den Vault legt, werden in Obsidian abgebildet und teilweise sogar gerendert! Ein Pro Tip: Man kann in Obsidian einstellen, dass unbekannte Dateien dennoch angezeigt werden. Das sind alle Formate, deren Inhalte das Tool nicht darstellen kann. Das ist nicht nur äußerst nützlich für die Verknüpfung innerhalb von Obsidian, sondern ermöglicht es auch die Datei direkt aus Obsidian zu öffnen.
Ich muss zugeben, dass ich zunächst mein Glück bei der Anwendung auf Basis des Trial and Error Prinzips versucht habe, woraufhin meine Lernkurve ab einem gewissen Zeitpunkt stagnierte. Dabei hat Obsidian so viel zu bieten.
Einen neuen Vault anzulegen, Notizen zu erstellen oder einzulesen war eingängiger als diese miteinander zu verbinden. Die Herausforderung lag aber nicht bei den Markdown Dateien, sondern in den generischen PDF Dokumenten. Denn diese können immer nur in eine Richtung verknüpft werden und zwar von der Markdown Datei ausgehend. Das bedeutet, zwei Dateien können in der Graphenansicht nicht miteiander verbunden werden, wenn es keine .md Markdown Dateien sind.
Hier hatte ich mir eine etwas eingängigere Funktionsweise gewünscht, insbesondere wenn man bedenkt, dass der integrierte Canvas Editor genauso funktioniert wie ich es bei der Verknüpfung gerne gehabt hätte, nämlich mittels Drag and Drop. Dieses kleine Manko gleicht Obsidian aber mit anderen nützlichen Funktionen aus, wie die Möglichkeiten Notizen miteinander zu verbinden, so dass nur noch eine Datei entsteht. Oder einzelne Textpassage in ein anderes Dokument zu überführen.
Zu jedem ausgehenden Link (zu einer Datei oder Notiz) kann automatisch eine zurückführende Verknüpfung erstellt werden. Das macht es sehr einfach, zwischen Dateien hin und her zu srpingen. Die Anordnung der Fenster lässt sich quasi unendlich verändern und immer wieder aufteilen. In jedem Frame lassen sich mehrere Tabs öffnen.
Generell lässt sich Obsidian mit Plug-ins erweitern. Ein weiterer Vorteil ist, dass sich die Standard-Plug-ins (Core Plug-ins), die von Obsidian selbst erstellt wurden, auch deaktivieren lassen. Damit kann man das Tool entschlacken oder erweitern, je nach belieben. Ein Beipsiel für eine solche Funktion ist die Plug-in Funktion zur Ausgabe einer zufälligen Notiz. Das ist ganz nett, um irgendwo anzusetzen, wenn man nicht weiß, wo man beginnen möchte, aber auch nicht unbedingt ein lebensnotwendiges Feature.
Befehle lassen sich meist auf mehrere Arten ausführen, per Kontextmenü, inline mittels reservierten Sonderzeichen, Shortcuts und einer Commandline. Diese redundanten Funktionen können für den Einsteiger bzw. die Einsteigerin anfangs etwas irritierend sein. Aber auch hier lässt das Tool es zu, es nach den eigenen Präferenzen zu bedienen, was ich am Ende eher als Vorteil auslegen würde.
Obsidian Fazit
Obsidian ist sicher nicht so eingängig wie klassische Wikis oder Anwendungen zum Erstellen von Notizen, aber das liegt daran, dass es weit darüber hinaus geht. Die Verknüpfung der Notizen geschieht eben nicht nur eindimensional wie in einer Baumstruktur. Obsidian denkt mit und kann zum Beispiel die Dateinamen ändern, wenn an der entsprechenden Textstelle der Name des Links geändert wird. Umgekehrt funktioniert es ebenfalls.
Die Verbindung zweier oder mehrere Notizen geschieht auf unterschiedlichen Wegen, hauptsächlich aber mittels Command oder Inline als leicht eingängiger und standardisierter Markdown Befehl. Die Dateien miteinander zu verknüpfen, oder Notizen im Graphen mit Drag and Drop untereinander oder mit Schlagwörtern zu verbinden, das funktioniert ohne Erweiterung leider nicht. Strukturen lassen sich in der Graphenansicht schön visualisieren und in der Komplexität mittels Filter reduzieren. Zum Beispiel kann man sich einfach alle Notizen im selben Ordner und dessen Unterorder anzeigen lassen.
Wie schon erwähnt lässt sich Obsidian mit Plug-ins erweitern und daher bezieht sich mein Erfahrungsbericht nur auf die „Out of the Box“ Variante, eben dem was man vom Hersteller bekommt. Obsidian ist nichts, wenn man vor einem Berg von Informationen steht und sich gestresst fühlt, diese zu verabeiten. Es benötigt weniger eine lange Einarbeitungszeit, als eine gewisse Umgewöhnungszeit, da Obsidian sicht von anderen Tools wie Notez oder Confluence unterscheidet.
Wenn man sich drauf einlässt, ist es aber ein äußerst effizientes Tool um Wissen zu strukturieren und zu dokumentieren, ohne von einem Hersteller abhängig zu sein, da die Informationen als lokale Dateien verbleiben können.
Ob Obsidian es in die Tools unseres Projektmanagement schafft, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Ich werde es definitiv vorstellen und bestimmt privat nutzen. Es hat sehr viel Potential und bietet viele Möglichkeiten an, es so zu verwenden, wie es einem am besten passt. Lohnt es sich also, es einmal auszuprobieren? Meiner Meinung nach, ganz klar ja.